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Gemeinderat folgt mit großer Mehrheit den Vorschlägen der Stadtverwaltung  Kein Weiterbau der unfertigen Moschee in Oberaichen

Der Bau einer Moschee in Leinfelden-Echterdingen beschäftigt den Gemeinderat seit rund zwei Jahrzehnten. Nachdem die Stadt dem Verein für Kultur-Bildung & Integration e.V. (V.K.B.I.) – der hinter dem Vorhaben steht – ein Grundstück in Oberaichen in Erbpacht überlassen hatte, wurde 2014 die Baugenehmigung erteilt.

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Foto: Von außen lässt sich nicht erkennen, in welchem schlechten Zustand das unfertige Gebäude ist, das einmal eine Moschee hätte werden sollen. | Bergmann

Das jedoch verbunden mit einem Baugebot, dem der Verein nicht nachkam. Es folgten Gespräche und Verhandlungen, schließlich machte die Stadt den Heimfall, also die Rückübertragung des Grundstücks geltend, was in letzter Instanz im Januar 2024 vom Bundesgerichtshof so bestätigt wurde.

Eingangsstatement von OB Ruppaner

In der Gemeinderatssitzung am Dienstagabend in der Filderhalle ging es nun um eine Grundsatzentscheidung zur Zusammenarbeit der Stadt mit dem V.K.B.I. Der Beschlussvorschlag der Stadtverwaltung: Die Zusammenarbeit mit dem Verein beenden und den Abriss des Rohbaus fordern. Otto Ruppaner hatte in seinem Statement zu Beginn dieses Tagesordnungspunktes in der Gemeinderatssitzung am vergangenen Dienstag die Haltung der Stadtverwaltung erläutert. „Das Vertrauen ist aufgebraucht“, so der Oberbürgermeister.

Der Frust über den V.K.B.I. wurde auch bei den Stadträtinnen und Stadträten deutlich. „Ich bin maßlos enttäuscht über das Verhalten des V.K.B.I“, so Sigrid Ott (DiB). „Unsere Fraktion ist vor den Kopf gestoßen und verärgert“, sagte ihr Fraktionskollege Jürgen Kemmner (L.E. Bürger). Man habe von Anfang an hinter dem Moscheeprojekt gestanden und nach einem Treffen vor einigen Wochen mit V.K.B.I und VIKZ (Verband der Islamischen Kulturzentren) „Licht am Ende des Tunnels gesehen“, so der Fraktionsvorsitzende, da die beiden Vereine vom Plan des umstrittenen Schülerwohnheims abgerückt seien. 

Nun erhebe der V.K.B.I. wieder die Maximalforderung. „Eine weitere vertrauensvolle Zusammenarbeit ist mit den beiden Vereinen nicht mehr möglich, wir müssen einen Schlussstrich ziehen“, wird Kemmner deutlich.

Knackpunkt Schülerwohnheim

„Die diversen Gerichtsverfahren haben zu keinem Kompromiss geführt“, beklagte Erich Klauser. Im Gegenteil. Nachdem der V.K.B.I. durch den VIKZ abgelöst worden sei, hätten sich die Fronten erhärtet, so der Fraktionsvorsitzende. „Es war klar, dass ein Schülerwohnheim nicht gebaut werden darf“, ergänzte er. Dr. Eberhard Wächter kündigte an, dass seine Fraktion dem Beschlussvorschlag der Stadtverwaltung in allen Punkten zustimmen werde. „Wir sind im Gemeinderat nach dem Brief des V.K.B.I .vor den Kopf gestoßen worden“, so der Fraktionsvorsitzende, der von einem „Vertrauensbruch“ sprach.

Kein Vertrauen mehr in den V.K.B.I.

Auch die Grünen signalisierten Zustimmung. „Wir hätten uns etwas anderes für das Gebäude gewünscht“, sagte der Fraktionsvorsitzende David Armbruster. Der Bau sei noch keine Moschee, betonte er und ergänzte, dass es in dem Gebäude nicht gut aussehe. Er sprach sich allerdings dafür aus, den V.K.B.I. wie in der Beschlussvorlage als Punkt 4 aufgeführt bei der Suche nach besseren Räumen zu unterstützen. 

„Das Vertrauen ist vorbei“, schloss sich Ilona Koch der Meinung ihrer Vorredner an. Man wolle nun sehen, wie sich der V.K.B.I verhalte. „Der Verein hat die Chance, sich mit der Stadt abzustimmen“, so die CDU-Chefin.

Während das Ende der Zusammenarbeit mit dem V.K.B.I. bei zwei Enthaltungen beschlossen wurde, gab es für den geforderten Rückbau des unfertigen Gebäudes auf Kosten des Vereins bis Jahresende drei Gegenstimmen. Sechs Stadträte versagten außerdem dem V.K.B.I die weitere Unterstützung bei der Suche nach alternativen Räumlichkeiten für die örtlichen Mitglieder.

OB Otto Ruppaner erläutert im Interview die Haltung der Stadtverwaltung „Verlässliche weitere Zusammenarbeit nicht mehr denkbar“

Herr Oberbürgermeister, welche Argumente haben zu der Entscheidung geführt, mit den beiden Verbänden kein erneutes Vertragsverhältnis einzugehen? Die Stadt hat vor und nach dem Urteil des Bundesgerichtshofs im vergangenen Jahr mehrfach Gesprächsangebote unterbreitet, um unter veränderten Rahmenbedingungen doch noch zu einer tragfähigen Lösung zu gelangen, beispielsweise durch einen reduzierten Nutzungsvorschlag auf verkleinertem Grundstück. Diese Angebote wurden jedoch nicht angenommen. Stattdessen wurden uns nunmehr erneut Nutzungskonzepte vorgelegt, die unverändert auf Maximalforderungen fußen.

Ist angesichts des langen Rechtsstreits und nicht eingehaltener Vereinbarungen und Zusagen das Vertrauen in die beiden Verbände noch da? Leider nein. Eine verlässliche weitere Zusammenarbeit mit Vertragspartnern, mit denen man über Jahre und über alle Instanzen hinweg gerichtliche Auseinandersetzungen geführt hat, ist aus Sicht der Verwaltung nicht mehr denkbar. Das für ein langfristiges Vertragsverhältnis unabdingbare Maß an gegenseitigem Vertrauen ist aufgebraucht.

Ein Blick zurück: Wie sahen die Planungen damals aus und wie war der Baufortschritt? Das betreffende Grundstück in Oberaichen war Gegenstand eines Erbbaurechtsvertrags, den die Stadt im Jahr 2014 mit dem V.K.B.I. geschlossen hat, um ein Kulturhaus und eine Moschee mit Stellplätzen und Nebenanlagen zu errichten. Vertragsgegenstand war unter anderem die Fertigstellung des ersten Bauabschnitts binnen vier Jahren. Trotz mehrfacher Gespräche, Erinnerungen und schließlich auch Fristsetzungen wurde dieses Ziel nicht erreicht, was letzten Endes auch zu den rechtlichen Auseinandersetzungen geführt hat.

Gutachter bescheinigen dem Bau gravierende Mängel und bezweifeln, dass die energetischen und genehmigungsrechtlichen Anforderungen noch erfüllt werden. | Foto: Stadt LE

Wie ist der Zustand des Gebäudes? Ein Gutachten der DEKRA stellt fest, dass das Gebäude nicht nur unvollständig, sondern in weiten Teilen mangelhaft errichtet wurde. Insbesondere wurden gravierende bauliche Mängel festgestellt, zudem fehlen wesentliche Teile der Haustechnik. Die Gutachter haben überdies erhebliche Zweifel, ob die vorhandene Bausubstanz heutigen energetischen und genehmigungsrechtlichen Anforderungen überhaupt noch genügen könnte. Ein wirtschaftlicher Weiterbau wäre mit erheblichen Zusatzinvestitionen verbunden.

Welche finanziellen Folgen hat das? Der Wertermittlung zufolge liegt der Liquidationswert des Grundstücks unter Einbeziehung des baufälligen Gebäudes bei lediglich rund 1,5 Millionen Euro. Das bedeutet: Die Bebauung hat – entgegen der Absicht des ursprünglichen Vertrags – nicht zur Aufwertung, sondern zur faktischen Wertminderung eines städtischen Vermögenswertes geführt.

Was heißt das für den unfertigen Bau? Es ist nicht nur rechtlich, sondern auch haushaltswirtschaftlich geboten, den Rückbau des Gebäudes durch den V.K.B.I. zu verlangen. Diese Möglichkeit sieht der mit dem seinerzeitigen Vorhabensträger vereinbarte Erbbaurechtsvertrag auch ausdrücklich vor. Der Rückbau stellt die Verwertbarkeit des Grundstücks wieder her, verhindert weitere Vermögensschäden und beendet den aktuellen Schwebezustand im weiteren Umgang mit dem Gebäude für die Stadt.

Bedeutet die Entscheidung, dass es in Leinfelden-Echterdingen keine Moschee geben wird? Auf die Pläne des V.K.B.I. beziehungsweise VIKZ haben wir keinen Einfluss. Im Sinne eines konstruktiven Umgangs können wir jedoch bei der Suche nach alternativen Räumlichkeiten unsere Unterstützung anbieten.

Chronik des gescheiterten Moscheebaus in Oberaichen

  • 2007: Erste Überlegungen für den Bau einer Moschee – damals noch in Unteraichen
  • 2009: Vertragsverhandlungen mit dem V.K.B.I. für ein Grundstück in Oberaichen
  • 2014: Beurkundung des Erbbaurechtsvertrags mit Baugebot (4 Jahre)
  • 2017: Ablehung einer Bauzeitenverlängerung durch die Stadt; Hinweis auf Heimfall bei Nichteinhaltung des Fertigstellungstermins; Vorlage eines Bauzeitenplans durch den V.K.B.I mit Fertigstellung Oktober 2018
  • 2018: Gemeinderat beschließt Heimfall wegen Nichteinhaltung der Baugebotsfrist
  • 2019: V.K.B.I. wird Fertigstellung des 1. Bauabschnitts zugestanden, Verzicht auf 2. Bauabschnitt
  • 2021: Landgericht Stuttgart stimmt Übertragung des Erbbaurechts auf die Stadt zu, nachdem die Vereinbarungen nicht erfüllt wurden
  • 2022: Oberlandesgericht Stuttgart bestätigt Urteil des Landgerichts
  • 2024: Bundesgerichtshof Karlsruhe weist Revision des V.K.B.I. gegen das Urteil des Oberlandesgerichts zurück