„Wie dünn die Haut der Zivilisation ist“ – Mahnende Worte am Volkstrauertag
Ursprünglich wurde der Volkstrauertag vor gut einem Jahrhundert als Gedenktag eingeführt, um den im I. Weltkrieg gefallenen deutschen Soldaten zu gedenken. Später kam die Erinnerung an die Soldaten dazu, die im II. Weltkrieg umkamen.
Mittlerweile geht der Blick nicht nur zurück in die Vergangenheit, sondern auch in die Zukunft. „Aber unser Leben steht im Zeichen der Hoffnung auf Versöhnung unter den Menschen und Völkern, und unsere Verantwortung gilt dem Frieden unter den Menschen zu Hause und in der ganzen Welt.“ So heißt es im Totengedenken, das bei der zentralen Gedenkstunde am vergangenen Sonntag in der Zehntscheuer von den Jugendgemeinderäten Simon Hauser und Grace Agbor vorgetragen wurde.

„Volkstrauertag kein Tag der Routine“
Begonnen hatte die Feierstunde mit einem Musikstück – vorgetragen von Bläsern der Musikschule – bevor Otto Ruppaner an das Mikrofon trat. „Der Volkstrauertag ist kein Tag der Routine. Er ist ein Tag der Wahrheit und führt uns vor Augen, wie dünn die Haut der Zivilisation ist und wie schnell aus Worten Taten werden“, erinnerte der Oberbürgermeister an die derzeitigen Krisen in vielen Ländern der Welt. Er zitierte Kant, der davon sprach, dass Friede gestiftet werden muss, nicht bloß als Aufhören des Krieges gelten darf. Ruppaner sprach zudem von einer „bedrückenden Entwicklung“, dass Juden in Deutschland wieder in Angst leben würden.

Einzelne Schicksale im Fokus: Mut, Menschlichkeit und Hoffnung
Hinter großen Ereignissen stehen einzelne Schicksale, wie Schüler der zehnten Klasse des Immanuel-Kant-Gymnasiums deutlich machten. Sie schilderten individuelle Schicksale, erzählten von einem deutschen Jagdflieger, der ein kampfunfähig geschossenes gegnerisches Flugzeug entkommen ließ – was für ihn die Todesstrafe hätte bedeuten können. „Die Piloten haben sich 45 Jahre nach Kriegsende getroffen und wurden Freunde“, so ein Zehntklässler.

Die Schüler berichteten außerdem von einem Jugendlichen, der Flüchtlingen mit Verpflegung half, von einem jüdischen Italiener, der das KZ Auschwitz überlebte und später Bücher über das Lagerleben schrieb. Und von einem russischen Soldaten, der mit seinem Panzer als einer der ersten das Konzentrationslager Auschwitz erreichte und diesen Moment so schilderte: „Wir haben die Tore geöffnet und das Unbegreifliche gesehen“. Trotzdem sei sein Motto gewesen: Auch in den dunkelsten Zeiten kann der Wille zum Guten bleiben.

