Stadtverwaltung informiert über aktuellen Stand der Flüchtlingsunterbringung Großes Interesse am Bürgerdialog in der Filderhalle
Bis zum letzten Platz war der Große Saal der Filderhalle am vergangenen Montag gefüllt. Grund dafür: Die Stadtverwaltung stellte im Rahmen der Reihe „LE im Dialog“ ihre Pläne zur Unterbringung Geflüchteter vor.

Und das ist angesichts der stark steigenden Zahlen alles andere als eine leichte Aufgabe. Das machte Roland Klenk in seiner eingangs gehaltenen Rede (siehe Seite 4 in diesem Amtsblatt) deutlich. Denn die Kommunen müssen nicht nur Flächen für Unterkünfte zur Verfügung stellen, sondern diese auch bauen und betreiben – und bekommen dafür kaum finanzielle Unterstützung vom Bund.
In den vergangenen Monaten hatte die Stadtverwaltung etliche Flächen in der Stadt genauer unter die Lupe genommen, was Planungsamtsleiter Philipp Schwarz näher erläuterte. Herausgekommen ist bei diesem Suchlauf eine Liste mit möglichen Standorten, die bereits auf unserer Webseite vorgestellt wurden (zur Themenseite Flüchtlingsunterbringung).
Ringen um Flächen
„Die konfliktfreien Flächen sind weitgehend belegt“, ergänzte Benjamin Dihm. Man ringe nun um Gelände, die jedoch unter keinen Umständen mit kommunalen Vorhaben im Konflikt stehen dürfe. Auch die Transformation der Wirtschaft müsse berücksichtigt werden, so der Erste Bürgermeister, der zudem auf die starke Nachfrage nach Flächen für Wohnen und Gewerbe hinwies.
„Wenn keine Sporthallen belegt werden sollen, müssen wir jetzt handeln“, bekräftigte Bürgermeister Dr. Carl-Gustav Kalbfell. Unabdingbar ist nach Worten der Verwaltungsführung die Nutzung zweier zurzeit unbebauter Flächen in den Schelmenäckern.
Auf den sogenannten Baufeldern F und K könnte rund 320 Menschen ein Obdach gegeben werden, was die erwartete Zuteilung im kommenden Jahr voraussichtlich abdecken würde. Doch das wird mittelfristig nicht reichen. Die Unterbringung ist eine Sache, die Betreuung und Integration eine andere – mit großer Bedeutung. „Wir haben 8,3 Stellen im Integrationsmanagement, von denen 3,6 Stellen von der Stadt finanziert werden“ ergänzte Kalbfell und hob die Bedeutung des ehrenamtlichen Engagements in der Flüchtlingshilfe hervor.
Sachliche Diskussion
Obwohl verschiedene Standpunkte geäußert wurden, verlief die anschließende engagiert geführte Diskussion sachlich. Ein Bürger wollte wissen, warum es keine konzertierte Aktion der Gemeinden gebe, um der Bundesregierung klarzumachen, dass die Flüchtlingszahlen zu hoch sind. „Die gibt es seit sieben Jahren“, so Klenk, „doch es tut sich nichts, wir werden nicht gehört.“ Angesprochen wurde auch die Integration der Geflüchteten in Kitas, Schulen und die Arbeitswelt, was für Klenk ein zentraler Punkt ist. „Wenn die Menschen hier wohnen wollen, müssen sie die Sprache lernen“, bekräftigte der Oberbürgermeister.
Man habe gute Betreuungsmöglichkeiten in der Stadt geschaffen, aber das Potenzial an Personal sei endlich. Kritisiert wurde außerdem die Konzentration der Unterkünfte zwischen den Stadtteilen Leinfelden und Echterdingen. Zur Sprache kam auch die Angst vor Kriminalität – die sich nach Worten Kalbfells nicht erhöht habe. Wenn, dann gebe es Probleme in den Unterkünften. Geäußert wurde außerdem die Befürchtung, dass Immobilien im Umfeld der Flüchtlingsunterkünfte an Attraktivität und Wert verlieren würden.
Doch es wurde auch Verständnis für die Geflüchteten und deren Aufnahme geäußert. „Es stößt mir sauer auf, dass die Bedürfnisse von Kindern gegen die von geflüchteten Menschen gestellt werden“, entgegnete eine Bürgerin einer zuvor gemachten Kritik, wonach Kinder in alten Containern betreut würden, die Geflüchteten dagegen in neue einziehen würden. „Geht auf die Menschen zu, Integration ist nicht nur Aufgabe von Schulen und Kitas“, sagte eine Bürgerin, die nach eigener Aussage in der Nähe des Renault-Gelände gewohnt und keinerlei negative Erfahrungen gemacht hat, als dort Geflüchtete untergebracht waren. Ähnlich äußerte sich eine Frau aus Stetten, die rund um die Flüchtlingsunterkunft Nödinger Hof keinerlei Belästigung wahrgenommen habe. „Ich appelliere an alle, die Menschen offen aufzunehmen.“
Bürgerausschuss geplant
Klenk will die Menschen in der Stadt nicht nur in aller Offenheit informieren, sondern auch beteiligen. Er schlägt deshalb vor, einen Bürgerausschuss zu bilden, wo Vertreterinnen und Vertreter der Anwohnerschaft potenziell berührter Grundstücke, Vertreterinnen und Vertreter der Fraktionen des Gemeinderates sowie der Stadtverwaltung zusammentreffen, um alle Aspekte vorzulegen und zu diskutieren. „Dies muss dann die Grundlage für die Meinungsbildung und Entscheidungen des Gemeinderates sein“, so der Oberbürgermeister. Über die Gründung des Bürgerausschusses wird demnächst in den städtischen Medien informiert.
„Ich hoffe, Sie haben unsere Not erkannt, wir machen das nicht aus bösem Willen“, fasste Klenk am Ende den Bürgerdialog zur Flüchtlingsunterbringung zusammen.
Veranstaltungspräsentationen
Helferkreise für Flüchtlingshilfe in LE
- Arbeitskreis Geflüchtete in LE: Ansprechpartnerin: Inge Scherm, AK.Gefluechtete.le@gmail.com, www.buergerstiftung-le.de/projekte-1
- Arbeitskreis Geflüchtete in Musberg: Ansprechpartnerin: Elfriede Eichhorn, ag-gefluechtete-musberg@ehrenamt-le.de, www.buergerstiftung-le.de/projekte-1
- Arbeit und Integration: Ansprechpartnerin: Monika Heilmann, moheilmann@t-online.de , www.ai-le.de
- CD’s Barmherzige Werke LE: Ansprechpartner: Claus-Dieter Epple, post@cd-s-barmherzige-werke-le.org , www.cd-s-barmherzige-Werke-LE.org
- FiS Stetten: Ansprechpartnerin: Annemarie Renftle, info@fis-stetten.de, fis-stetten.de/wordpress
Rede von OB Roland Klenk bei LE im Dialog zum Thema Flüchtlingsunterbringung
Herzlich willkommen in der Filderhalle zum Bürgerdialog.
Ich freue mich über Ihr zahlreiches Kommen und will gleich eingangs betonen, dass der heutige Abend der Auftakt ist für einen kontinuierlichen Austausch in dieser nicht nur für unsere Stadt zentralen Problematik. Wie ich mir das vorstellen könnte, will ich gerne noch ansprechen.
Nach mir wird Herr Bürgermeister Dr. Kalbfell das Wort ergreifen, in dessen Dezernat die Aufgabe Unterbringung und Betreuung von Flüchtlingen ressortiert. Er wird Ihnen die maßgeblichen Zahlen und Daten sowie die rechtlichen Rahmenbedingungen unserer Handlungsmöglichkeiten und -verpflichtungen darstellen. Danach wird Herr EBM Dihm die maßgeblichen Gesichtspunkte bei der Definition der potenziellen Standorte vortragen. Neben den beiden Kollegen werden auch Herr Stuiber, Leiter des Amtes für Soziale Dienste, Frau Arnold, Leiterin unseres Hochbauamtes und Herr Schwarz, Leiter des Planungsamtes für Informationen zur Verfügung stehen. Ich bitte Sie einfach um ein bisschen Geduld für diese Beiträge, die aber nötig sind als Information und Basis unserer Diskussion, die sich unmittelbar danach anschließt. Auch wenn ich von einem großen Bedürfnis danach ausgehe, sich zu äußern, sollten wir doch versuchen, die Dauer der Veranstaltung auf ca. zwei Stunden zu begrenzen. Insofern bitte ich darum, die Wortmeldungen so prägnant wie möglich zu gestalten.
Ich freue mich über die zahlreiche Anwesenheit von Damen und Herren des Gemeinderates aus allen Fraktionen, die, damit sie für Sie besser identifizierbar sind, in der ersten Reihe Platz genommen haben. Ich habe auch alle Mitglieder von Landtag und Bundestag der Wahlkreise Esslingen und Nürtingen eingeladen für den heutigen Abend um ihnen die Möglichkeit zu geben, an der vielzitierten Basis zu sein und auch ihre politischen Gedanken und Taten zur Thematik darzulegen. Die Bundestagsabgeordneten haben sich wegen der Sitzungswoche in Berlin entschuldigt, die angeschriebenen Abgeordneten des Landtags haben sich wegen anderer Termine entschuldigt oder nicht reagiert. MdL Birnstock, der sich ebenfalls entschuldigt hat, hat eine Mitarbeiterin entsendet, damit er einen unmittelbaren Bericht erhält.
In gewisser Weise komme ich mir wie in einem déja-vue vor. Vielleicht konnten Sie einen Blick in das auf den Stühlen ausliegende Schreiben von mir an den damaligen Nürtinger Bundestagsabgeordneten Hennrich von der CDU werfen. Ich könnte es heute fast wortwörtlich erneut an eben andere Abgeordnete richten. Das Schreiben vom 16. Januar 2016, vor sage und schreibe siebeneinhalb Jahren verfasst, ist so aktuell wie damals und zeigt, dass sich so gut wie nichts zum Besseren gewendet hat. Und damit natürlich auch nicht für uns Kommunen, obwohl wir einzeln und durch unsere Verbände fast pausenlos Veränderungen und Verbesserungen dringend angemahnt haben.
Die Situation heute ist nur insofern anders, als die Rahmenbedingungen unter denen wir die Pflichtaufgabe Unterbringung von Geflüchteten zu vollbringen haben, deutlich schlechter geworden sind. Der Ukraine-Krieg hat die bisherige Welt- und Wirtschaftsordnung durcheinandergewirbelt und was daraus erwächst, ist nicht abzusehen. Handels- und Lieferketten sind fragil geworden, Deutschland befindet sich in einer rezessiven Wirtschaftsphase und unsere Schlüsselindustrien sehen sich einem enorm gewachsenen Wettbewerbsdruck ausgesetzt. Der Klimawandel erfordert gewaltige Anstrengungen, auch und gerade finanzieller Natur. Deutschland hat seine Infrastruktur verkommen lassen und muss unglaubliche Summen aufbringen um das Land zukunftsfähig zu halten. Die Teuerung nagt an den Einkommen und Geldvermögen der Bürger. Die Bundesrepublik hat eine besorgniserregende Verschuldung erreicht und ein Ende ist nicht abzusehen. Inzwischen sprechen wir in allen Gegenden von Wohnungsmangel, in nicht wenigen von Wohnungsnot, der soziale Wohnungsbau ist fast zum Erliegen gekommen. Der Tübinger Kollege Palmer, bekannt, und nicht nur von mir dafür geschätzt, für das Aussprechen unbequemer Wahrheiten, hat am Freitag erneut auf die Gefahr der Verdrängung von Menschen mit niedrigen Einkommen auf dem Wohnungsmarkt hingewiesen. Die Rufe nach einer Begrenzung der Zuwanderung werden lauter.
Sie haben vielleicht erfahren, dass ich die Karlsruher Regierungspräsidentin Felder angeschrieben habe wegen der fast völlig zum Erliegen gekommenen Abschiebungen von ausreisepflichtigen Ausländern. Sie hat mir umgehend geantwortet, sich für die Anstrengungen der Kommunen bedankt, auf tatsächliche und rechtliche Hindernisse für die Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht hingewiesen und mit den Worten geschlossen: „… abschließend bleibt mir nur, auf die bewährte Solidarität Ihrer Stadt zu vertrauen und Sie herzlich zu bitten, die Aufnahme Geflüchteter aus der Ukraine und anderer Herkunftsländer weiter mitzutragen.“
Das machen wir, aber unter diesen Rahmenbedingungen ist das keine Frage mehr des Wollens, sondern des Könnens. Und deshalb werde zumindest ich das nicht schweigend mittragen. Ich wurde von einem eingeladenen Landtagsabgeordneten darauf hingewiesen, dass der Bund im Frühjahr eine Milliarde für die Kommunen bereitgestellt habe. Nach dem selben Schlüssel wie die Geflüchteten verteilt werden, wird auch das Geld verteilt. Das heißt also, dass von dieser Milliarde 13%, 130 Mio an das Land gehen. Davon abzuziehen sind 20 Mio, die nicht direkt den Kommunen zugutekommen. Von dann noch 110 Mio gehen 5% an den Landkreis Esslingen, also 5,5 Mio. Wir partizipieren mit 7,5%, was rd. 400.000 Euro bedeutet. Die derzeit errichtete Unterkunft auf dem Renault-Gelände wird unseren Haushalt mit jährlich 2,5 Mio Euro netto belasten. Wenn sie diese Summe hochrechnen mit den weiter notwendigen Unterkünften in den nächsten beiden Jahren für weitere 600 Menschen, dann bedeutet das über acht Mio Euro zusätzliche jährliche Ausgaben, die wir nicht ersetzt bekommen, die für die Erfüllung unserer eigenen dringenden Bedürfnisse und Investitionen fehlen.
Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger, ich habe eingangs betont, dass wir alle Erfordernisse aus der Thematik der Unterbringung von Flüchtlingen in möglichst großer Transparenz und Offenheit angehen wollen. Daher möchte ich anregen, zu diesem Themenkreis einen Bürgerausschuss zu bilden, wo Vertreterinnen und Vertreter der Anwohnerschaft potentiell berührter Grundstücke, Vertreterinnen und Vertreter der Fraktionen des Gemeinderates, die fachlich berührten Ämter der Stadtverwaltung und die Leiter der Dezernate in abzusprechender Folge zusammentreffen, um alle Aspekte vorzulegen und zu diskutieren. Dies muss dann die Grundlage für die Meinungsbildung und Entscheidungen des Gemeinderates sein.
In den vielen Beratungsrunden innerhalb der Stadtverwaltung haben wir uns entschieden, zunächst zwei Standorte vor- und zur Diskussion zu stellen, die für eine sehr dringlich gewordene Nutzung ab dem Jahr 2024 geeignet erscheinen. Herr EBM Dihm wird sie vorstellen. Völlig konfliktfrei sind aber auch diese nicht belegbar. Diese Entscheidung muss noch in diesem Jahr fallen um die Chance zu haben, im zweiten Halbjahr 2024 unsere Aufnahmeverpflichtung erfüllen zu können. Auf diese Weise würde etwas Zeit gewonnen werden. Über alle weiteren potentiellen Aufnahmeorte für die Folgejahre könnte dann auch im Bürgerausschuss diskutiert werden.