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Gemeinsame Gedenkstiftung LE und Filderstadt zeichnet Preisträger aus Erinnerungskultur als gesamtgesellschaftliche Aufgabe

Zum nunmehr 13. Mal hat die gemeinsame Gedenkstiftung der Großen Kreisstädte Filderstadt und Leinfelden-Echterdingen „Gemeinsame Erinnerung – gemeinsame Verantwortung für die Zukunft“ fünf zivilgesellschaftliche Projekte ausgezeichnet, die alle auf ihre Art vorbildlich sind. 

Große Personengruppe bei einer Preisverleihung
Foto: Bergmann

Die preisgekrönten Konzepte richten sich beispielsweise gegen Rassismus, überwinden Sprachbarrieren, ermöglichen einen Arabisch-Kurs für geflüchtete Kinder, wertschätzen die Natur, wirken gegen Entfremdung, Hilflosigkeit und soziale Isolation und erarbeiten neue Kulturen des Gedenkens an die Verbrechen des Holocausts. 

Das vielzitierte „Nie-Wieder“ – die kompromisslose Ablehnung jeglichen Nazi-Gedankenguts – sei kein Selbstläufer, sondern erfordere Arbeit, viel Aufklärungsarbeit. Darin waren sich Regierungspräsidentin Susanne Bay (Foto links) und Claudia Rugart (rechts, Stiftungsrat) einig. Das Erinnern an die Vergangenheit sei wichtig, um „in der Zukunft Akzente setzen zu können“ (Rugart). Gerade hier leiste die Gedenkstiftung (wider das Vergessen) unschätzbar wertvolle Arbeit, die auch Öffentlichkeit schaffe. So wie jedes der ausgezeichneten Projekte, die sich für Toleranz, Vielfalt und Integration sowie gegen Diskriminierung und Ausgrenzung stark machten. 

„Gesellschaft für widerstandsfähiger gehalten“

In ihrem emotionalen Gastvortrag konfrontierte die Regierungspräsidentin die Anwesenden mit der alarmierenden Aktualität dieses Themas: Angesichts des Aufschwungs rechter und nationaler Strömungen müsse sich die Gesellschaft verstärkt mit den „grausamen Verbrechen in der Nazi-Zeit“ auseinandersetzen, würde dabei „in die kaum zu ertragenden Gesinnungsabgründe blicken“. Susanne Bay: „Ich habe unsere Gesellschaft für widerstandsfähiger gehalten. Die Annahme war falsch.“ Dies verdeutliche, dass die bisherige Aufklärungs- und Erinnerungsarbeit bei so manchem nicht angekommen sei. 

Susanne Bay betonte, dass die „Erinnerungskultur“ eine gesamtgesellschaftliche Herausforderung sei, bei der gerade auch jüngere Menschen eine wichtige Rolle spielten: „Es ist Aufgabe eines jeden Einzelnen, jüdisches Leben zu feiern und zu schützen.“ Es könne nicht sein, dass es in diesem Land Übergriffe auf jüdisches Leben gebe – gerade vor dem Hintergrund der deutschen Vergangenheit. Hass dürfe sich keine Bahn brechen. Die Regierungspräsidentin: „Solches Unrecht darf sich nicht wiederholen! Es geht um die Würde von Menschen. Die Schoa (nationalsozialistischer Völkermord) darf nicht vergessen werden!“ Der Antisemitismus müsse entschieden bekämpft werden.

Im Namen des Regierungspräsidiums Stuttgart dankte sie der Gedenkstiftung sowie allen Preisträgerinnen und Preisträger für ihre Erinnerungsarbeit sowie die Förderung eines friedlichen gesellschaftlichen Miteinanders. Der Kampf gegen den Antisemitismus sowie alle Formen des Rassismus benötige eine starke Zivilgesellschaft. Staatliches Handeln alleine reiche, so Susanne Bay, nicht aus.

Die Preisträger und ihre Projekte

  • Gedenkkultur am Elisabeth-Selbert-Gymnasium (ESG) Filderstadt: Angesichts der schwindenden Zahl an Zeitzeugen und der Notwendigkeit, gegen Antisemitismus und andere Verschwörungsmythen aktiv zu werden, ist das ESG dabei, die Gedenkkultur konzeptionell neu zu überdenken. Dazu gehört unter anderem der Besuch der KZ-Gedenkstätten Dachau oder Natzweiler sowie des Außenlagers Echterdingen Bernhausen
  • Uhlbergschule Bonlanden/Kunstschule Filderstadt: Vorbereitungsklassen haben die Funktion, Schülerinnen und Schülern Sprachkenntnisse zu vermitteln und sie auf den Regelunterricht vor zubereiten. Die Uhlbergschule Bonlanden hat mit den aus zwölf Schülern bestehende Vorbereitungsklassen ein Kooperationsprojekt mit der Kunstschule durchgeführt. Die Kinder erstellten unter Begleitung einer Kunstschuldozentin eigene Kunstwerke. 
  • Verein Integra Filderstadt: Rassis-Muss nicht sein Das Projekt fand zwischen Mai und November 2022 im Rahmen des Aktionsprogramms „Demokratie und Toleranz“ des Landkreises Esslingen statt. Es hatte n das Ziel, mit dem Alltagsrassismus besser umzugehen und Verhaltensweisen und Strategien dagegen zu entwickeln und einzuüben. 
  • Arbeit und Integration – Lebenswertes LE e.V.: Arabisch-Kurs für geflüchtete Kinder: Der Verein organisiert seit mehreren Jahren einen Arabisch Kurs für geflüchtete Kinder. Dies ist dann wichtig, wenn sich die Familien entscheiden, nach Kriegsende wieder in die Heimat zurückzukehren. Darüber hinaus führt der Verein mit den Kindern (und deren Geschwistern) Ausflüge durch, etwa in die Wilhelma, in den Zirkus, zu einem Bauernhof und Ähnliches.
  • Kunstschule Filderstadt: Kunst und Natur – Kinder und Jugendliche gestalten ihre Stadt: Unter der Anleitung von Dozenten der Kunstschule gestalten Schüler Schulgärten, Schulhöfe oder auch kleine Grünflächen. Dabei lernen sie nicht nur viel über die Wertschätzung der Natur und deren Schutz, sondern betätigen sich auch mit einer künstlerischen Gestaltung, wie dem Bau einer Natursteinmauer. Bei dem Projekt in der Pestalozzischule wurde deutlich, dass Kinder gemeinsam mit anderen zu Gestaltenden ihrer eigenen Welt werden können, was Gefühlen wie Entfremdung, Hilflosigkeit und sozialer Isolation entgegenwirkt.